Kontinuität und Innovation
Nach 16 Jahren im Amt hat Prof. Dr. Peer Witten den Vorstandsvorsitz der Logistik-Initiative Hamburg an Kerstin Wendt-Heinrich abgegeben. Ein Gespräch über die Leidenschaft für Logistik, die Kraft des Netzwerks und den Zugang zu Innovationen.
Kerstin Wendt-Heinrich: Peer, du bist jemand, der andere begeistern und nicht überreden will. Was war im Rückblick wichtiger beim Aufbau und der Entwicklung der Logistik-Initiative: Kopf oder Herz?
Prof. Dr. Peer Witten: Natürlich muss man von der Sinnhaftigkeit solch einer Initiative überzeugt sein. Aber ohne echte Begeisterung stünden wir heute nicht dort, wo wir stehen. Es geht darum, eine Vernetzung mit vielen unterschiedlichen Akteuren zu schaffen – wer dafür andere mitnehmen will, muss selbst für die Sache brennen. Und du bist genauso mit voller Leidenschaft dabei wie ich.
Wendt-Heinrich: Es gibt einfach jede Menge hoch spannender Themen, die wir gemeinsam voranbringen können. Als du mich gefragt hast, ob ich für den Vorstandsvorsitz kandidieren möchte, habe ich von ganzem Herzen zugesagt.
Witten: Eine gute Nachfolge vereinfacht den Abschied ungemein. Es war ein echter Glücksfall, dass du als gestandene Unternehmerin mit dem Drive zu Innovationen – und obendrein noch exzellent vernetzt – das Ruder übernommen hast. Du gehörst ja schon lange zu unserer Logistik-Familie. Damit kann ich mich wie Angela Merkel nach 16 Jahren beruhigt aus dem Amt zurückziehen.
Wendt-Heinrich: Du bleibst unserer Familie doch erhalten. Es war schließlich nicht ganz uneigennützig, dass wir dich zum Ehrenvorsitzenden ernannt haben. Wir hoffen, dass du uns weiter mit deinen Ideen inspirierst!
Witten: Natürlich brenne ich weiterhin für die zentralen Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wir haben in der Vergangenheit einiges dazu bewegen können. Einen Erfolg sehen wir ja jetzt: unseren gemeinsam mit der Stadt aufgebauten Digital Hub Logistics. Unternehmen finden dort Ideen für neue Geschäftsmodelle, können sich mit Start-ups vernetzen oder auch gemeinsam Projekte kreieren. Der Digital Hub Logistics ist dafür eine großartige Basis …
Wendt-Heinrich: … und ein fantastisches Aushängeschild für Hamburg. Natürlich ist es mir als Vertreterin des Mittelstands ein wichtiges Anliegen, gerade KMU für den Hub zu begeistern. Diese Offenheit für Neues und die innovativen Lösungen, die man bei den jungen Start-ups spürt, schaffen eine einmalige Atmosphäre und inspirieren dazu, neue Wege zu erkunden. Und viele dieser Ansätze helfen dabei, auch die ökologischen Anforderungen an unsere Branche zu meistern.
Witten: Nachhaltigkeit darf sich aber nicht auf Ökologie beschränken, die soziale Komponente zählt genauso.
Wendt-Heinrich: Das unterschreibe ich sofort. So notwendig die Digitalisierung ist, der Mensch wird in der Logistik immer eine entscheidende Rolle spielen. Der Fachkräftemangel beschäftigt leider alle – und steht lange schon auf der Agenda der Logistik-Initiative. Solch immense Herausforderung lässt sich nur gemeinsam stemmen.
Witten: Wenn ich sehe, was wir über die Jahre alles hinbekommen haben, bin ich ganz zuversichtlich. Allein, dass es gelungen ist, deutlich über 500 Mitglieder zu gewinnen – mit solchen Dimensionen hätte anfangs niemand gerechnet. Dann die Überführung der Logistik-Initiative in eine GmbH, an der die Wirtschaft und die Freie Hansestadt Hamburg gleichberechtigt beteiligt sind – das ist ganz außergewöhnlich. Wir haben uns vom Netzwerk- zum Innovationscluster weiterentwickelt, eine Fülle progressiver Projekte angestoßen, und nicht umsonst hat die EU unsere Initiative dreimal hintereinander mit dem Gold-Label ausgezeichnet. All das war nicht zuletzt auch deshalb möglich, weil wir mit Carmen Schmidt eine exzellente Geschäftsführerin haben, die von Anbeginn dabei war und die heute von Jürgen Glaser von der Geschäftsstelle Metropolregion und Johannes Berg vom Digital Hub flankiert wird.
Wendt-Heinrich: Das sehe ich genauso und bin deshalb sehr froh, dass ich alle drei – und vor allem Carmen Schmidt – weiterhin an meiner Seite habe. Jürgen Glaser setzt sich schließlich auch seit der ersten Stunde für die Belange der Metropolregion ein. Ein wichtiger Bereich, denn wir müssen uns immer auch im nördlichen Verbund sehen. Dass wir uns aber international so vernetzen und beispielsweise mit Partnern aus Belgien oder Schweden zusammenarbeiten, um autonome Binnenschiffe für Transporte zu entwickeln, hättet ihr vor 16 Jahren sicherlich nicht gedacht.
Witten: Mein Motto kennst du: Kontinuität und Innovation. Das habe ich immer gepredigt.
Wendt-Heinrich: Die Logistik-Initiative muss vorausdenken und gleichzeitig die Mitglieder bestmöglich im Hier und Jetzt unterstützen …
Witten: … dafür müssen wir die Plattform für die richtigen Themen bleiben, die unsere Mitgliedsunternehmen bewegen. In diesem Feld gilt es, die Vernetzung weiter zu fördern – unter den Unternehmen, mit der Wissenschaft, den Start-ups und der Politik. Als echte Public-Private-Partnership sind wir natürlich im regelmäßigen und engen Austausch mit den Behörden und dem Senat.
Wendt-Heinrich: Und das ist immens wichtig, denn wer die Rahmenbedingungen ändern will, muss Hand in Hand mit Politik und Verwaltung zusammenarbeiten. Dafür bauen wir auch in Zukunft die Brücken für unsere Mitglieder. Da wir alle an einem Strang ziehen, klappt das in Hamburg sehr gut.
Witten: Wir leben eben dieses Family-Feeling – dazu gehört auch, auf die Anliegen der anderen einzugehen, selbst wenn es manchmal nicht unmittelbar die eigenen sind.
Wendt-Heinrich: Was Vernetzung vermag, weiß ich schon von meinem Vater, der sich immer intensiv für die Logistik engagiert hat. Daraus sind im Grunde unsere Innovationen im Unternehmen, der Nachtexpress und die Mehrwert-Logistik, entstanden. Ich selbst habe in der Logistik-Initiative so viele interessante Menschen kennengelernt, und wir haben in Kooperation immer wieder neue Ideen kreiert, die dann umgesetzt wurden – davon profitieren die Beteiligten und alle Mitglieder. Witten: Genau das macht den Erfolg der Logistik- Initiative aus. Viele unserer Mitglieder sind außerordentlich aktiv, weil sie eben auch wissen: Wer sich einbringt, kann nur gewinnen!