COVID-19 bringt die Digitalisierung des Arbeitsplatzes auf Touren. Wie sieht der neue Arbeitsplatz aus, welcher Homeoffice Typ bin ich und was müssen Unternehmen bei der Digitalisierung des Arbeitsplatzes berücksichtigen?


Michael Böhl, LIHH-Experte für Digitalisierung

Seit 8 Jahren engagiert sich Michael Böhl (CGI)  bei der LIHH und gehört unserem Expertenpool an. Sein Schwerpunkt ist die Digitalisierung. Heute schreibt / kommentiert er seinen persönlichen Blick auf die aktuellen Entwicklungen und die Rolle der Digitalisierung in der „neuen Normalität“.


Gastkommentar

Heute Morgen bin ich an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt,  genauer gesagt an meinen Homeoffice Arbeitsplatz. Dafür habe ich, anders als im Januar 2020, nur ca. 25 Schritte benötigt. Nicht wie damals - 8km mit dem Rad ins Büro in die Hafencity. Das Fahrradfahren fehlt mir! War es doch eine gute Möglichkeit auf dem Hinweg zur Arbeit den Tag zu strukturieren und auf dem Rückweg mich auf den Feierabend mit der Familie vorzubereiten. Das gibt es jetzt nicht mehr bzw. deutlich weniger als früher einmal.

Stattdessen bin ich jetzt in der kalten und dunklen Jahreszeit auch auf die digitale Fahrradrolle bei Zwift umgestiegen und sammle dort fleißig Rennradkilometer. Heute Abend fahre ich auch meine erste Tour de Zwift 2021 mit – rein digital, ich bin gespannt.

Viele Bereiche im meinem Leben haben sich in den letzten Monaten weiter digitalisiert. Dies betrifft viele Bereiche in meinem Privatleben, mit vielen digitalen Fahrradkilometern oder Videokonferenzen mit den Eltern, aber natürlich auch mein Berufsleben.

Dies schließt selbstverständlich meinen Arbeitsplatz als zentrales Element des Berufslebens mit ein.

Doch halt, wieso eigentlich noch das Wort Arbeitsplatz? Passt das noch? Ist es nicht vielmehr der Raum zum Schaffen von Werten? Und vor allem, was benötige ich dafür oder was fehlt mir denn?

Mein Arbeitsplatz vor und nach COV19

Was ist die größte Veränderung beim Arbeiten aus dem Homeoffice?  

Die Antwort möchte ich gern zweigeteilt geben, aus meiner persönlichen Sichtweise und dazu ergänzend unter Betrachtung der Corona-Arbeitsschutzverordnung der Bundesregierung zum Thema Homeoffice mit Wirksamkeit vom 27.01.2021. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung halt folgende Inhalte als Kern:

  • Home Office, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen
  • Maximale Kontaktreduktion in Betrieben
  • Medizinische Masken bei unvermeidbarem Kontakt
  • Feste betriebliche Arbeitsgruppen
  • Möglichst zeitversetztes Arbeiten

Der physische Gesundheitsschutz steht bei den Maßnahmen im Vordergrund und das ist auch gut so. Doch reicht das? Im Ergebnis dieser Maßnahmen reduziere ich meine Kontakte auf ein Minimum, reduziere ich möglicherweise einen wesentlichen Faktor meiner persönlichen Arbeitszufriedenheit und belaste damit meine Psyche, die schon bei dem einen oder anderen Menschen durch die Pandemie eine große Belastung erfahren hat. Vielleicht wäre ein weiterer Punkt in der Corona-Arbeitsschutzverordnung, die soziale Betreuung durch den Arbeitgeber eine gute Ergänzung. Anders ausgerückt die Förderung des sozialen Miteinanders auf Distanz als Ersatz für fehlende direkt menschliche Interaktion. Denn, nun zu meiner persönlichen Sicht, ist die größte Veränderung meines Arbeitsplatzes  die sich verändernde zwischenmenschliche Interaktion, die nicht mehr physisch, beispielsweise in Meetings, spontanen Treffen in Büros, Smalltalk über den Schreibtisch oder als Klatsch & Tratsch an der Kaffeemaschine stattfindet.

Gelingt es mir den Raum des Schaffens gut zu gestalten, kann ich dennoch genauso gut oder besser konzentriert Werte schaffen. Immer vorausgesetzt es sind nicht Kinder nebenbei noch zu beschulen oder zu betreuen.

Zeitlich ist es in meinem Fall so, dass ich einen Teil der gesparten Reisezeiten in Arbeitszeit investiere.

Auf der technologischen Ebene hat sich mein Arbeitsplatz insoweit weiterentwickelt, dass eine gute Beleuchtung und Kamera mich jetzt auch in Videokonferenzen in einem guten Licht erscheinen lassen und wir durch die Einführung von Microsoft Teams unsere bestehende Konferenzlösung abgelöst haben.

Die weit größere Veränderung ist, dass Interaktionen mit anderen Mitarbeitern jetzt hauptsächlich digital stattfinden und die letzten Monate bei den Arbeitsprozessen die Bereiche aufgezeigt haben, die noch klassisch analog z.B. durch eine Unterschrift auf einem Vertrag ablaufen.

WELCHER HOMEOFFICE TYP BIN ICH?

Als meine Teams ab März 2020 vollständig ins Homeoffice gewechselt sind, stellte sich nicht die Frage zu wem das Arbeiten von zu Hause passt oder nicht. Zunächst ging es darum dafür zu sorgen, dass alle gesund bleiben und ihre Arbeit weiter durchführen können, damit auch das Fortbestehen unserer Firma gesichert ist.

Die letzten Wochen und Monate haben mir gezeigt, dass Mitarbeiter mit der Situation ganz unterschiedlich umgehen und klarkommen. Sicherlich spielt das familiäre Umfeld eine sehr große Rolle. Kleine Kinder während einer Videokonferenz zu betreuen ist einfach etwas ganz anderes als größere Kinder, die für die Arbeit der Eltern schon ein ganz anderes Verständnis aufbringen können.

Neben den externen Faktoren spielen aber auch persönliche Präferenzen von Mitarbeitern eine Rolle, um im Homeoffice erfolgreich zu sein. Diese Präferenzen sollten sich jeder Mitarbeiter und jede Führungskraft bewusstwerden, um auch aus dem Homeoffice erfolgreich & produktiv zu arbeiten.

Neben anderen Wissenschaftlern hat sich Nancy Rothbard (Professor an der Wharton School) mit dem Thema intensiv beschäftigt und schrieb im Harvard Business Manager Ausgabe September 2020 “ERFOLG IM HOMEOFFICE IST EINE SACHE DES TYPS”.

Nancy sieht es als wesentliche Aufgabe von Führungskräften, jeden Mitarbeiter dabei zu unterstützen eine Balance zwischen Berufs- und Privatleben zu finden und dabei die individuellen Anforderungen von Mitarbeitern zu berücksichtigen. Das Modell unterscheidet zwei Typen von Mitarbeitern: die Integrierer und die Segmentierer.

Für beide Typen von Mitarbeitern ist das permanente Arbeiten von zu Hause eine große Veränderung. Sowohl Integrierer als auch Segmentierer reagieren unterschiedlich und benötigen unterschiedliche Rahmenbedingungen. Für beide ist jedoch die zeitliche Trennung von Arbeit und Privatem wichtiger geworden.

Ich arbeite, wo ich bin! Zeitlich flexibel aber nicht rund um die Uhr!

43% der Transport- und Logistikunternehmen haben eine Digitalisierungsstrategie

Unsere Zukunft wird digitaler – das sollte dem Letzten in den letzten Monaten bewusst geworden sein. Transport- und Logistikunternehmen sehen Digitalisierung und Modernisierung als Top Aufgaben der IT.

Sind dies Aufgaben der IT alleine? Nein!

43% der Transport- und Logistikunternehmen haben eine Digitalisierungsstrategie. Folgende Themen sind in vielen Digitalisierungsstrategie wiederzufinden:

  • Der Kunde steht im Mittelpunkt,
  • Wert mit analogen und digitalen Produkten/ Dienstleistungen schaffen,
  • Neue Geschäftsmodelle implementieren,
  • Nutzen von Daten, um Kunden besser zu verstehen,
  • Innovationen schaffen und nutzen,
  • Kulturellen Wandel vorantreiben.

Nur zwei  von fünf  Firmen sind der Meinung, dass ihre Digitalisierungsstrategie positive Ergebnisse liefert.
Als größte Herausforderungen wurden Cultural Change und Change Management genannt.

Digitalisierung des Arbeitsplatzes als Teil der Digitalisierungsstrategie

Zunächst möchte ich dafür plädieren, den Teil „Der Kunde steht im Mittelpunkt“ folgendermaßen zu präzisieren “Der Kunde und der Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt”.

Und zu überlegen, wie Digitalisierungs-Initiativen dabei unterstützen können einen auch zukünftig modernen, attraktiven Raum des Schaffens, meinetwegen auch Arbeitsplatz genannt, zu bieten.

Ihre Digitalisierungsstrategie sollte also mindestens folgende Themengebiete adressieren, entsprechende Zielbilder darin definieren und Initiativen benennen, um diese zu erreichen:

  • Der Kunde und der Mitarbeiter steht im Mittelpunkt,
  • Wert mit analogen und digitalen Produkten/ Dienstleistungen schaffen,
  • Neue Geschäftsmodelle implementieren,
  • Nutzen von Daten, um Kunden besser zu verstehen,
  • Innovationen schaffen und nutzen,
  • Kulturellen Wandel vorantreiben.

Der digitale Arbeitsplatz als Gesamtlösung

Wie immer gilt auch beim digitalen Arbeitsplatz, dass sich die Anforderungen an diesen innerhalb und zwischen Unternehmen unterscheiden kann.

Für typische Büroarbeitsplätze sollten jedoch folgende Rahmenbedingungen gelten:

  • Der digitale Arbeitsplatz stellt eine Gesamtlösung zur Erfüllung der Bedürfnisse des Unternehmens sowie der Erwartungen der eigenen Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner dar.
  • Der digitale Arbeitsplatz ist unabhängig von Ort und Zeit.

Klare Vorteile eines solchen Arbeitsplatzes sind die höhere Effizienz, durch Vernetzung von Daten und Prozessen, das Networking, u.a. im Bereich der Synchronen Kommunikation über Chat und VoIP, sowie die höhere Flexibilität, bspw. durch Plattformkonsolidierung und Reduzierung der Infrastrukturkosten.

Einsatz von Technologie zur Digitalisierung des Arbeitsplatzes

Ein digitaler Arbeitsplatz ohne den Einsatz von Technologie ist wie ein Autorennen ohne Autos. Das macht also keinen Sinn. Analog verhält es sich auch mit dem Einsatz von IT-Technologien. Jedoch gilt auch hier, dass eine geeignete Strategie deutlich mehr Nutzen erzeugt.

Deshalb ist es wichtig, im Rahmen einer Strategie zum Digitalen Arbeitsplatz festzulegen, welche Ziele verfolgt werden und welche Technologien dazu eingesetzt werden sollen. Die Technologien können in folgende vier Bereiche unterteilt werden:

  • Kommunikation und Kollaboration,
  • Arbeitsplatzumgebung,
  • Digitale Backend Technologien,
  • Automation und Self-Services.

Kommunikation und Zusammenarbeit im Zentrum der Aufmerksamkeit

Insbesondere der Bereich der Kommunikation und Zusammenarbeit stand in den letzten Monaten im Fokus vieler Unternehmen. Diese wird aktuell durch Meeting Solutions, wie bspw. Microsoft Teams, Zoom oder Bluejeans realisiert. Diese Lösungen setzen auf die Kernfunktionalitäten Video, Audio und Content Sharing.

Vollständig ersetzen können Technologien aus diesem Bereich ein Büro nicht, aber mich hat schon überrascht, welche Lösungen sich meine Teams auf Basis der Technologien ausgedacht haben, um näher am „Office Gefühl“ dran zu sein.

So wurden beispielsweise sogenannte „Virtual Office Rooms“ geschaffen, welche es den Mitarbeitern ermöglichte sich gegenseitig auszutauschen. Hierbei wurden ganztägige Meeting Rooms erstellt, in welche sich die Mitarbeiter immer dann einwählten, wenn sie nicht in einer Besprechung waren. Vom Prinzip her war die virtuelle Tür zum Büro des Kollegen immer dann offen, wenn er dem Meeting Raum beiwohnte.

Wer jetzt spontan den „Office Sound“ vermisst, dem sei folgende Seite ans Herz gelegt: (https://mynoise.net/NoiseMachines/openOfficeNoiseGenerator.php).

Mitarbeiter nutzen Technologie

Ich hatte bereits über Autos und Autorennen gesprochen. Wenn ich bei diesem Bespiel bleibe, so ist eine bereitgestellte IT-Technologie, die durch Mitarbeiter nicht genutzt wird, wie ein Rennauto ohne Fahrer.

Daher ist es neben dem Trainieren von Mitarbeitern in Technologien essentiell wichtig, die Meinung der Mitarbeiter nicht nur jährlich sondern die Prozesse dahingehend weiterzuentwickeln, sodass diese kontinuierlich erfasst werden können. Hierfür sind  ein kontinuierliches Change Management sowie Adoption Services notwendig. Adoption Services sind eine Form des Anforderungsmanagements, welche immer überprüfen, ob es auf dem Markt andere technologische Lösungen gibt und anhand dieser den eigenen Technologie-Stack angleicht. Diese Art des Mitarbeiter Feedbacks wird wegen der besseren Integration des Mitarbeiters in das Unternehmen und der damit einhergehenden höheren Verbundenheit mit dem selbigen in den kommenden Jahren immer wichtiger werden.

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